Fallen Bienen unter das Tierschutzgesetz?

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Reinhard
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Fallen Bienen unter das Tierschutzgesetz?

Ein etwas längerer Beitrag, aber ich denke, er ist sehr wichtig und kann Jeden von uns einmal treffen!

Ausgangssituation eines Imkers:
Vandalismus um diese Jahreszeit, die Stöcke werden umgeworfen, die Bienen sind verstreut, fliegen herum und sterben innerhalb kurzer Zeit in der kalten Witterung ab.

Anzeige bei der BH wegen Sachbeschädigung und - auf eigenem Hinweis - auch wegen Tierquälerei (hier ist das Strafmaß höher, falls der/die TäterInnen erwischt wird).

Der Standpunkt der BH: Insekten fallen nicht unter das Tierschutzgesetz.

Das bringt mich zur Nachschau im Tierschutzgesetz, darin steht:

Geltungsbereich
§ 3. (1) Dieses Bundesgesetz gilt für alle Tiere.

Begriffsbestimmungen:
§ 4. Die nachstehenden Begriffe haben in diesem Bundesgesetz jeweils folgende Bedeutung:
Abs. 6. lautet:
landwirtschaftliche Nutztiere: alle Haus- oder Wildtiere, die zur Gewinnung
tierischer Erzeugnisse
(z.B. Nahrungsmittel, Wolle, Häute, Felle, Leder) oder zu anderen
land- oder forstwirtschaftlichen Zwecken gehalten werden;

Verbot der Tierquälerei
§ 5. (1) Es ist verboten, einem Tier ungerechtfertigt Schmerzen, Leiden oder Schäden
zuzufügen oder es in schwere Angst zu versetzen.
---
10. ein Tier Temperaturen, Witterungseinflüssen, Sauerstoffmangel oder einer Bewegungseinschränkung
aussetzt und ihm dadurch Schmerzen, Leiden, Schäden oder
schwere Angst zufügt;

Das alles findet man hier:
http://www.austria.gv.at/2004/10/7/anima…tionact_neu.pdf

Kann sein, dass es dazu eine Rechtssprechung gibt, die Insekten (ich denke an lästige Mücken oder Fliegen,..) ausnimmt. Aber nachdem die Imkerei unter die landwirtschaftliche Tätigkeit fällt würde ich gem. §4, Abs. 6 denken, dass die Bienen unter die Haltung von landwirtschaftlichen Tieren fallen.

Also, aber am Besten eine Auskunft bei einem Rechtsanwalt einholen. Hier die Antwort meines Rechtsanwaltes, die genannten Anhänge habe ich nicht beigefügt:

1.) Auch Insekten/wirbellose Tiere sind rechtlich betrachtet Tiere ! Ich verweise auf den beiliegenden Auszug zu §222 Strafgesetzbuch (Achtung Gesetzestext ist alte Fassung), wo Du dies ausdrücklich angesprochen findest. Die Auskunft der BH ist daher rechtlich falsch; ob Sie der Intention entspricht ein entbehrliches Verfahren zu vermeiden, kann ich nicht beurteilen.
 
2.) Es kommt kumulativ folgendes in Betracht:
 
    Strafanzeige bei der Polizei/Staatsanwaltschft wegen Sachbeschädigung nach § 125 StGB. Nach §285a ABGB sind Tiere zwar keine Sachen; ABER "soweit keine abweichenden Regelungen (wie § 222 StGB) bestehen, gelten auch strafrechtlich die für Sachen normierten Vorschriften, sodass Tiere Objekt einer Sachbeschädigung (eines Diebstahls...) sein können" (zit. nach Leukauf-Steininger, Kommentar zum StGB, RZ 2b zu § 125 StGB). Darüber hinaus stellen die (zerstörten )Bienenstöcke mE eine eigene Sache (unabhängig von den einzelnen Bienen) dar.
    Strafanzeige bei der Polizei/Staatsanwaltschft auch wegen Tierquälerei nach § 222 Abs 1 StGB. (aktuelle Fassung anbei) Dieses Verfahren würde vermutlich aber rasch eingestellt werden. Die mutwillige Tötung ist nur bei Wirbeltieren strafbar; bei anderen Tieren (wie eben ua. Bienen) müssten spezifische Tatbestände (rohe Misshandlung oder Zufügen unnötiger Qualen) bejaht werden. Ob dies bei wirbellosen Tieren überhaupt möglich ist, ist eine biologische Frage, die ich nicht beurteilen kann. Als Verteidiger würde ich dies aber jedenfalls argumentieren.
    Anzeige bei der BH nach § 6 Abs 1 iVm § 38 Abs 1 Z2 Tierschutzgesetz (Auszug unten)
 
§ 6. (1) Es ist verboten, Tiere ohne vernünftigen Grund zu töten.

§ 38. (1) Wer                                   
1. einem Tier entgegen § 5 Schmerzen, Leiden, Schäden oder schwere Angst zufügt oder
2. ein Tier entgegen § 6 tötet oder
3. an einem Tier entgegen § 7 Eingriffe vornimmt oder
4. gegen § 8 verstößt,

begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Behörde mit einer Geldstrafe bis zu 7 500 Euro, im Wiederholungsfall bis zu 15 000 Euro zu bestrafen.
 
 3.) In der Praxis wird das Problem aber darin liegen, dass zwar die Anzeigen gegen Unbekannt erstattet werden können, mangels reeller Chancen eine  konkreten Täter ausforschen und überführen zu können aber denkbar gering sind (es sei denn er wurde auf frischer Tat beobachtet) und daher das Engagement der Behörden ebenso denkbar gering sein wird, bzw allenfalls mit diversen Ausflüchten versucht wird, eine Anzeige überhaupt zu vermeiden.

Pfiati, Reinhard